LAG: Teilkündbarkeit einer arbeitsvertraglichen Zusatzvereinbarung zum Home-Office

Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 16. März 2023 – 18 Sa 832/22

Seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat das Homeoffice in vielen Unternehmen stark an Bedeutung gewonnen und gehört mittlerweile zur betrieblichen Praxis. Diese vermehrte Nutzung von Homeoffice führt zwangsläufig zu verstärkten Auseinandersetzungen darüber, unter welchen Bedingungen Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten dürfen und wann der Arbeitgeber die Home-Office-Tätigkeit beenden kann. In diesem Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht Hamm darüber entschieden, ob die Teilkündigung einer arbeitsvertraglichen Zusatzvereinbarung zum Home-Office zulässig ist.

Sachverhalt

Der Kläger arbeitete seit Februar 2017 als Sales Account Manager für die Beklagte. Der Arbeitsvertrag sah vor, dass der Kläger seine Tätigkeit zu Hause erbringt. Allerdings erklärte sich der Kläger arbeitsvertraglich ausdrücklich damit einverstanden, dass er an verschiedenen Einsatzorten, gegebenenfalls auch über längere Zeiträume hinweg, seine Arbeitsleistung zu verrichten habe. Zusätzlich wurde bereits im November 2016 zwischen den Parteien eine „Zusatzvereinbarung über die Tätigkeit im Home-Office“ mit Kündigungsvorbehalt geschlossen.  

Nachdem der Kläger seit Mitte 2021 arbeitsunfähig erkrankt war, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 28. Januar.2022 die Zusatzvereinbarung zum 1. April 2022. Der Kläger erhob daraufhin Klage gegen die Kündigung der Zusatzvereinbarung. Nach Ansicht des Klägers handle es sich bei dem Kündigungsvorbehalt um eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung und sein Einsatz am Sitz der Beklagten entspreche nicht dem billigen Ermessen. Die Beklagte stellte dem entgegen, dass es sich um einen individuell ausgehandelten Vertrag handle und der Kläger zum Großteil Vertriebsaufgaben außer Haus erledigt habe. Diese könne er nunmehr nicht mehr wahrnehmen, weswegen die Umgestaltung seiner Vertriebsaufgaben auch eine starke Zunahme seiner Büropräsenzzeiten zur Folge habe.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, mit der Begründung, dass es sich bei den Regelungen in der Zusatzvereinbarung um Allgemeine Geschäftsbedingungen handle, die im Hinblick auf die vorgesehene Kündigungsmöglichkeit der Zusatzvereinbarung wegen unangemessener Benachteiligung des Klägers unwirksam seien. Die Beklagte legte daraufhin Berufung ein.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht gab der Berufung der Beklagten statt. Die Zusatzvereinbarung sei ordnungsgemäß gekündigt worden.

Das Gericht stellte zwar klar, dass Teilkündigung, die nur einzelne Bestandteile des Arbeitsvertrages betreffen, im Grundsatz unzulässig seien, da eine einseitige Änderung von Vertragsbedingungen gegen den Willen des Vertragspartners nicht erfolgen könne. Die Teilkündigung einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen könne aber zulässig sein, wenn dem Kündigenden hierzu das Recht eingeräumt wurde. In diesem Fall erfolge die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen nicht gegen den Willen des anderen Vertragspartners, sondern aufgrund des vereinbarten Teilkündigungsrechts.

Es führte aus, dass die Regelungen einer kündbar gestellten „Zusatzvereinbarung über Tätigkeit im Homeoffice“, welche sich auf spezielle Abreden über den Ort der Arbeitsleistung bezieht, kündigungsrechtlich nicht besonders geschützt sei, sondern dem Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 S 1 GewO unterliege. Das Kündigungsrecht betreffe dann nicht die im synallagmatischen Verhältnis stehenden wechselseitigen Pflichten des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung von seiner Wohnung aus zu erbringen befugt ist. Es sei nur eine „Erfüllungsmodalität“ betroffen.

Im Übrigen sei der Kündigungsvorbehalt im vorliegenden Fall auch nicht AGB-rechtlich zu beanstanden, da dem Arbeitnehmer keine wesentliche Rechtsposition entzogen werde. Bei der Home-Office-Vereinbarung werde nicht der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses angesprochen, sondern ein Bereich, der vom Direktionsrecht des Arbeitsgebers erfasst werde. Auch nach der Kündigung der Zusatzvereinbarung sei eine Tätigkeit im Homeoffice auf arbeitsvertraglicher Grundlage weiterhin möglich. Zudem sei die Home-Office-Möglichkeit nie für einen bestimmten Anteil der Arbeitszeit festgelegt worden. Im vorliegenden Fall werde die vereinbarte Teilkündbarkeit der Zusatzvereinbarung den Interessen beider Vertragsparteien gerecht.

Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?

Die Entscheidung des Landesarbeitsgericht ist ein begrüßenswerter Schritt hin zur Klärung von Rechtsfragen bezüglich Homeoffice-Vereinbarungen. Sie stärkt die Rechtssicherheit für Arbeitgebende und Arbeitnehmer*innen in diesem Bereich.

Das Gericht stellt klar, dass nicht alle Kündigungsvorbehalte in Homeoffice-Vereinbarungen pauschal wirksam sind. Insoweit sollte ein vereinbarter Kündigungsvorbehalt vorsorglich einen Maßstab für die Ausübung des Kündigungsrechts im Sinne eines billigen Ermessens enthalten, um AGB-rechtlichen Bedenken vorzubeugen.

Daher ist es für Arbeitgebende ratsam, bei der Gestaltung von Homeoffice-Vereinbarungen sorgfältig vorzugehen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen, um sicherzustellen, dass Kündigungsvorbehalte wirksam und rechtlich einwandfrei formuliert sind. Zudem müssen Arbeitnehmer*innen eine Kündigung der Home-Office-Vereinbarung nicht einfach so hinnehmen.

Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 16. März 2023 – 18 Sa 832/22 –, juris

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