BAG: Betriebsratswahl – Möglichkeit der Briefwahl wegen Homeoffice und Kurzarbeit

BAG, Urteil vom 23. Oktober 2024 – 7 ABR 34/23

Insbesondere in einer Zeit, in der das mobile Arbeiten sowie das Arbeiten im Homeoffice immer relevanter werden, stellt sich vermehrt die Frage nach der Aktualität rechtlicher Bestimmungen. So auch bei der Wahl des Betriebsrates. Während die Wahlordnung grundsätzlich die Möglichkeit einer Briefwahl für abwesende Arbeitnehmer erlaubt, kommen in der Umsetzung dennoch Zweifel auf. Das Bundesarbeitsgerichts hat hierzu nun entschieden, ob  und in welchem Umfang  eine Briefwahl möglich ist.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin ist eine Kraftfahrzeugproduzentin mit einem Standort in Wolfsburg. Aufgrund der Covid-19-Pandemie traf sie Ende 2021 die betriebliche Anordnung, nach Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten. Ausgenommen waren beschäftigte, deren Tätigkeit eine Anwesenheit im Betrieb erforderte. Diese Anordnung wurde Anfang 2022 verlängert. Turnusmäßig standen jedoch im Frühjahr 2022 Betriebsratswahlen an. Für diese Betriebsratswahl Mitte März, versendete der Wahlvorstand deshalb unaufgefordert Briefwahlunterlagen an alle Arbeitnehmenden (ca. 26.000), die zu dieser Zeit von dieser betrieblichen Anordnung betroffen waren.

Ab Mitte Februar 2022 musste der Betrieb seine Arbeitnehmenden im Werk in Kurzarbeit schicken. Deshalb beschloss der Wahlvorstand auch die gemeldeten und im Wahlzeitpunkt wegen der Kurzarbeit betriebsabwesenden Arbeitnehmenden zur schriftlichen Stimmabgabe zuzuordnen. Ca. 33.000 Produktionsmitarbeitende erhielten daraufhin Briefwahlunterlagen. Die Briefwahl fand bei der Belegschaft großen Anklang und es wurden etwa 35.000 Stimmen der 39.498 Wahlberechtigten schriftlich abgegeben.

Nach der Wahl wurde diese allerdings von mehreren wahlberechtigten Arbeitnehmenden angefochten. Begründet wurde diese Anfechtung mit einem möglichen Verstößen gegen die Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes sowie der Wahlordnung, aufgrund der Versendung von Briefunterlagen an alle Arbeitnehmenden im Homeoffice und in Kurzarbeit. Nachdem das Arbeitsgericht die Wahl für unwirksam erklärt hatte, wies das Landesarbeitsgericht den Antrag ab.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Mit ihrer eingelegten Rechtsbeschwerde hatten die Antragssteller vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Zur vollständigen Klärung des Sachverhalts wurde die Angelegenheit zur erneuten Anhörung und Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Das Bundesarbeitsgericht erklärte, dass die Fälle einer zulässigen Briefwahl in der Wahlordnung (WO) abschließend geregelt seien. In § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO sei klar geregelt, dass Briefwahlunterlagen prinzipiell – ohne dies zu verlangen – an alle Wahlberechtigten versandt werden können, die dem Wahlvorstand bekannt sind und im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht im Betrieb anwesend sein können. Hierunter würden auch Arbeitnehmende fallen, die aufgrund von Kurzarbeit oder vorübergehend ausgeübter mobiler Arbeit betriebsabwesend sind.

Im vorliegenden Fall sei jedoch noch nicht geklärt, ob der Wahlvorstand die Betriebswahlunterlagen auch an zur mobilen Arbeit berechtigte Arbeitnehmende versandt hat, von denen er wusste, dass sie im Wahlzeitraum, wegen Unabkömmlichkeit ihre Tätigkeit im Betrieb verrichtet haben. Dann läge ein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Nr. 1 WO vor. Dies müsse vom Landesarbeitsgericht noch weiter geprüft werden.

Im Übrigen wurde bezüglich der sonstigen beanstandeten Wahlfehler befunden, dass diese eine Anfechtung der Betriebsratswahl nicht begründen.

Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?

Das Urteil des BAG unterstreicht die Bedeutung einer genauen Einhaltung der Wahlordnung bei der Durchführung von Betriebsratswahlen, insbesondere bei der Nutzung der Briefwahl in außergewöhnlichen Situationen wie Homeoffice und Kurzarbeit. Es zeigt, dass der Wahlvorstand sorgfältig prüfen muss, wer tatsächlich betriebsabwesend ist, um fehlerhafte Versendungen von Briefwahlunterlagen zu vermeiden. Für die Praxis bedeutet dies, dass Unternehmen und Wahlvorstände klare Kommunikations- und Prüfprozesse etablieren sollten, um rechtliche Unsicherheiten zu minimieren und die Anfechtbarkeit von Wahlen zu verhindern. Dies ist insbesondere in Zeiten zunehmender Flexibilisierung der Arbeitsmodelle von zentraler Bedeutung.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 28/24 des Bundesarbeitsgerichts

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