BAG: Rechtmäßigkeit der elektronischen Entgeltabrechnung

BAG, Urteil vom 28. Januar 2025 – 9 AZR 48/24 –

Entgeltabrechnungen sind ein zentraler Bestandteil des Arbeitsverhältnisses. Sie dienen nicht nur dazu, Arbeitnehmer über die Zusammensetzung ihres Gehalts, Abzüge und sonstige Leistungen zu informieren, sondern auch als Nachweis für steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Zwecke. Mit dem technischen Fortschritt und der zunehmenden Digitalisierung haben viele Unternehmen den klassischen Papierweg verlassen und bieten digitale Entgeltabrechnungen an. Dies wirft jedoch rechtliche Fragen auf, etwa in Bezug auf die Formvorschriften und den Zugang zu diesen Dokumenten. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr eine Grundsatzentscheidung hierzu getroffen.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall war die Klägerin, eine Verkäuferin im Einzelhandel, mit der digitalen Bereitstellung ihrer Entgeltabrechnungen nicht einverstanden. Die Arbeitgeberin stellte seit März 2022 Abrechnungen nur noch in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach ein, das über einen externen Anbieter verwaltet wird. Diese Umstellung beruhte auf einer Konzernbetriebsvereinbarung. Beschäftigte ohne privaten Online-Zugang konnten im Betrieb ihre Abrechnungen einsehen und ausdrucken. Die Klägerin verlangte jedoch weiterhin eine Zustellung in Papierform.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gab der Klage zunächst statt und argumentierte, dass Entgeltabrechnungen zugangsbedürftige Erklärungen seien und das digitale Postfach hierfür im konkreten Fall nicht geeignet sei.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf und verwies den Fall zurück. Es stellte fest, dass die Bereitstellung von Entgeltabrechnungen in einem digitalen Mitarbeiterpostfach grundsätzlich die in § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO geforderte Textform wahrt. Ein Arbeitnehmer habe eine sogenannte Holschuld, das heißt, der Arbeitgeber müsse lediglich sicherstellen, dass die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitgestellt werde. Eine Verantwortung des Arbeitgebers für den tatsächlichen Zugang der Abrechnung bestehe nicht. Allerdings müsse der Arbeitgeber den berechtigten Interessen von Beschäftigten Rechnung tragen, die keinen privaten Online-Zugriff haben.

Gleichzeitig stellte das Gericht klar, dass die digitale Bereitstellung auf Grundlage einer Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG grundsätzlich rechtmäßig sei. Da jedoch offene Fragen zur Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats bestanden, war eine abschließende Entscheidung nicht möglich.

Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat weitreichende Implikationen für die Praxis und schafft mehr Rechtssicherheit im Umgang mit digitalen Entgeltabrechnungen. Arbeitgeber können ihre Verpflichtung zur Abrechnung des Arbeitsentgelts grundsätzlich durch die Bereitstellung in einem passwortgeschützten digitalen Mitarbeiterpostfach erfüllen, ohne dass sie für den tatsächlichen Zugang der Abrechnungen beim Arbeitnehmer verantwortlich sind. Dies erleichtert die Umstellung auf digitale Prozesse und fördert eine effizientere Dokumentenverwaltung. Allerdings müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass Beschäftigte, die privat keinen Online-Zugang haben, ihre Abrechnungen im Betrieb einsehen und gegebenenfalls ausdrucken können. Dies dient dem Schutz berechtigter Interessen der Arbeitnehmer und wahrt deren Zugang zu wichtigen Gehaltsinformationen.

Zudem betont das Urteil die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats bei der Einführung digitaler Systeme. Unternehmen sollten deshalb darauf achten, dass entsprechende Vereinbarungen rechtssicher getroffen werden. Auch klare Informationen über den Zugang zum digitalen Postfach und praktische Hilfestellungen für die Beschäftigten können dazu beitragen, die Umstellung auf digitale Abrechnungen reibungsloser zu gestalten. Das Urteil markiert somit einen wichtigen Schritt in Richtung moderner und effizienter Arbeitsprozesse, verlangt jedoch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen technischen Innovationen und den Bedürfnissen der Beschäftigten.Formularende

Quelle: Pressemitteilung Nr. 3/25 des Bundesarbeitsgerichts vom 28.01.2025

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