BAG: Keine festen Grenzen für die Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. Oktober 2025 – 2 AZR 160/24 –

Die Probezeit ist für viele Beschäftigte der Einstieg in ein neues Arbeitsverhältnis – und für Arbeitgebende eine wichtige Orientierungsphase. Besonders bei befristeten Arbeitsverträgen stellt sich regelmäßig die Frage, wie lang die Probezeit sein darf, ohne gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verstoßen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass es keinen festen Regelwert für die zulässige Dauer einer Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis gibt. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls.

Sachverhalt

Die Klägerin war seit dem 22. August 2022 bei der Beklagten als Advisor I Customer Service beschäftigt. Der Arbeitsvertrag war auf ein Jahr befristet und enthielt die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung mit den gesetzlichen Fristen. Für die ersten vier Monate vereinbarten die Parteien eine Probezeit mit einer verkürzten Kündigungsfrist von zwei Wochen.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2022 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 28. Dezember 2022. Die Klägerin hielt die vereinbarte Probezeit für unverhältnismäßig lang. Sie argumentierte, bei einer Befristung von einem Jahr dürfe die Probezeit höchstens drei Monate betragen. Deshalb könne die Kündigung erst mit der regulären gesetzlichen Frist wirksam werden. Zudem sei wegen der überlangen Probezeit die vertragliche Kündigungsmöglichkeit insgesamt unwirksam, sodass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 15 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ausgeschlossen sei.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgte dieser Argumentation teilweise. Es nahm an, dass eine Probezeit von höchstens 25 Prozent der Befristungsdauer verhältnismäßig sei. Bei einem Jahresvertrag wären das drei Monate. Da die vereinbarten vier Monate diesen Wert überschritten, hielt das Gericht die Probezeitklausel für zu lang, erklärte die Kündigung aber trotzdem für wirksam – allerdings mit Wirkung erst zum 15. Januar 2023.

Entscheidung des Gerichts

Das Bundesarbeitsgericht sah dies anders und wies die Klage insgesamt ab. Es stellte klar, dass kein fester prozentualer Maßstab für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Probezeit in befristeten Arbeitsverhältnissen gilt. Entscheidend sei stets eine Einzelfallabwägung. Dabei komme es insbesondere auf die Dauer der Befristung, die Komplexität der Tätigkeit und den Umfang der Einarbeitung an.

Im konkreten Fall hielt das BAG die vereinbarte viermonatige Probezeit für angemessen, da die Arbeitgeberin einen detaillierten Einarbeitungsplan mit drei Lernphasen über insgesamt 16 Wochen vorgelegt hatte. Nach diesem Plan sollten neue Mitarbeitende erst nach Abschluss dieser Phasen vollständig produktiv arbeiten können. Eine Probezeit, die sich an diesem Einarbeitungszeitraum orientiere, sei daher verhältnismäßig.

Zugleich stellte das Gericht klar, dass selbst eine überlange Probezeit nicht dazu führen würde, dass die gesetzliche Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1 KSchG) verkürzt würde. Der besondere Kündigungsschutz greift also auch dann erst nach sechs Monaten – unabhängig davon, wie lange eine zulässige Probezeit vereinbart wurde.

Was bedeutet das für die Praxis?

Mit dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht einen wichtigen Orientierungsrahmen für die Gestaltung befristeter Arbeitsverträge geschaffen. Arbeitgebende können sich nicht auf pauschale Richtwerte wie „ein Viertel der Vertragsdauer“ berufen. Vielmehr müssen sie im Einzelfall begründen können, warum die gewählte Probezeit angemessen ist. Kriterien können etwa die Komplexität der Tätigkeit, der Einarbeitungsaufwand oder die Notwendigkeit einer fachlichen Beurteilung nach mehreren Einsatzphasen sein.

Für Beschäftigte bedeutet das Urteil, dass eine längere Probezeit in einem befristeten Vertrag nicht automatisch unwirksam ist. Entscheidend ist, ob sie nachvollziehbar mit den Anforderungen der Stelle zusammenhängt. Gleichzeitig bleibt der gesetzliche Kündigungsschutz nach sechs Monaten unverändert – selbst wenn die Probezeit kürzer oder länger vereinbart wird.

Das Urteil verdeutlicht: Bei befristeten Arbeitsverhältnissen kommt es auf die Sachangemessenheit und Transparenz der Vertragsgestaltung an. Unternehmen sollten ihre Vertragsmuster sorgfältig prüfen und dokumentieren, warum die Dauer einer Probezeit gewählt wurde. Beschäftigte wiederum sollten wissen, dass eine längere Probezeit nur dann problematisch ist, wenn sie in keinem Verhältnis zur Art der Tätigkeit steht.

Quelle: Pressemitteilung 40/25 des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Oktober 2025

Bei Fragen und Beratungsbedarf zu diesem Thema stehen wir Ihnen sehr gerne zur Verfügung!