LAG: Angebot einer geringfügigen Gefälligkeitsleistung rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung

Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 15. Februar 2024 – 8 Sa 845/23 –, juris

In einer modernen Arbeitswelt, in der Arbeitnehmende häufig zusätzliche Einkommensquellen oder private Projekte verfolgen, entstehen rechtliche und ethische Konflikte. Besonders heikel wird es, wenn diese Tätigkeiten in Konkurrenz zu den Hauptarbeitgebenden stehen oder als Schwarzarbeit gelten. Zudem werfen Gefälligkeiten für Kund*innen Fragen zur Loyalität und zu den Wettbewerbsinteressen der Arbeitgebenden auf. Mit dieser Problematik hat sich nunmehr auch das Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) beschäftigt.

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten als Fliesenleger beschäftigt. Bei der Beklagten handelte es sich um einen Kleinbetrieb mit weniger als zehn Arbeitnehmern. Der Kläger führte Anfang 2023 für die Beklagte Arbeitsleistungen bei einem Kunden aus. In einem Gespräch mit diesem Kunden erklärte sich der Kläger bereit, über die bei der Beklagten abgeschlossenen Leistungen hinaus, den Hauswirtschaftsraum nach Feierabend zu fliesen. Hierzu kam es jedoch nicht, da die Beklagte Anfang Februar 2023 von diesem Angebot Kenntnis erlangte. Am 13. Februar 2023 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine außerordentliche Kündigung aus.

Hiergegen wandte sich der Kläger im Rahmen einer Kündigungsschutzklage. Seiner Ansicht nach sei die außerordentliche Kündigung unwirksam, da er weder eine Schwarzarbeit angeboten noch ausgeführt habe. Die Beklagte hingegen vertrat die Ansicht, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar sei. Es sei zu erwarten, dass dieser weiterhin Schwarzarbeit zum eigenen Vorteil ausüben würde. Er trete damit in unmittelbare Konkurrenz zur Beklagten und würde ihr Kunden abwerben.

Das Arbeitsgericht Hamm wies die Klage ab. Daraufhin legte der Kläger Berufung gegen diese Entscheidung ein.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Die Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg. Das Landesarbeitsgericht vertrat die Ansicht, dass die außerordentliche Kündigung tatsächlich unwirksam sei. Die Kündigung könne jedoch in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden.

Das Gericht war der Ansicht, dass es für eine außerordentliche Kündigung an einem wichtigen Grund i. S. d. § 626 BGB fehle. Während der Arbeitszeit geleistete Schwarzarbeit könne prinzipiell eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Wird die „Schwarzarbeit“ außerhalb der Arbeitszeit geleistet, könne der erforderliche Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlen. Etwas anderes gelte dann, wenn das fragliche Verhalten zugleich eine vertragswidrige Konkurrenztätigkeit darstelle. Insoweit sei eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, ob nach der Art der Tätigkeit eine relevante Beeinträchtigung oder Gefährdung der Interessen des Arbeitgebers bzw. eine spürbare Beeinträchtigung des Marktbereichs des Arbeitgebers vorliege. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen läge regelmäßig dann vor, wenn der Arbeitnehmer im Marktbereich des Arbeitgebers für dessen Kunden auf eigene Rechnung weitergehende Leistungen erbringe. Für eine solche relevante unzulässige Konkurrenztätigkeit trage der Arbeitgebende die Darlegungs- und Beweislast.

Dem Kläger sei nach diesen Maßstäben keine kündigungsgeeignete Pflichtverletzung nachgewiesen worden. Er habe keine Leistung auf eigene Rechnung während der Arbeitszeit angeboten sondern vielmehr eine Leistung außerhalb der Arbeitszeit. Diese wollte er nicht zu Lasten der Beklagten erbringen. Zudem sei das Gespräch mit dem Kunden nur eine unverbindliche Geschäftsanbahnung gewesen. Die Beklagte habe nicht widerlegen können, dass der Kläger nur eine (unentgeltliche) Gefälligkeit habe erbringen wollen. Es sei zu keinem relevanten Abwerben eines Kunden gekommen. Überdies seien die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten auch nicht betroffen gewesen. Das potenzielle Auftragsvolumen sei zu gering und wegen der Bereitschaft des Auftraggebers zur Eigenleistung auch nicht marktrelevant gewesen. Der einmalige Vorfall lasse keine generelle Neigung des Klägers erkennen, Konkurrenztätigkeiten auszuüben. Eine außerordentliche Kündigung sei darüber hinaus mangels Abmahnung unverhältnismäßig.

Allerdings sei das Arbeitsverhältnis dennoch wirksam beendet worden. Die Kündigung könne nämlich in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Der Betrieb der Beklagten ist als Kleinbetrieb zu qualifizieren, weswegen das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Die ordentliche Kündigung sei daher wirksam.

Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?

Das Gericht hat einen strengen Maßstab an eine kündigungsrelevante Konkurrenztätigkeit angelegt. Dies muss nicht immer der Fall sein. Bei der gerichtlichen Entscheidung handelt es sich um einen Einzelfall. Bereits geringfügige Gefälligkeitsleistungen, welche Arbeitnehmer*innen außerhalb der Arbeitszeit im Markbereich des Arbeitgebers erbringt, können die Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebenden beeinträchtigen. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Angebot der Arbeitnehmer*innen in einem engen Zusammenhang mit der Arbeitsleistung steht. Je nach Fallgestaltung kann sich eine völlig andere Gesamtabwägung ergeben.

Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 15. Februar 2024 – 8 Sa 845/23 –, juris

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