BAG: Betriebsverfassungsrechtlicher Schulungsanspruch – Webinar statt Präsenzschulung?  

BAG, Beschluss vom 7. Februar 2024 – 7 AZR 8/23

Nach §§ 40, 37 Abs. 6 BetrVG haben Mitglieder des Betriebsrats einen Anspruch darauf , dass Arbeitgebende die Kosten für erforderliche Schulungen übernehmen. Hierzu zählen auch Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten, die aufgrund der Präsenzschulungen anfallen. Aus diesem Grund muss grundsätzlich immer eine Abwägung zwischen dem Interesse der Mitglieder des Betriebsrats am Besuch von Schulungsveranstaltungen und den Kosten der Arbeitgebenden vorgenommen werden. Im Zuge der Digitalisierung bieten Schulungsanbieter nunmehr des Öfteren inhaltsgleiche Webinare an. Das Bundesarbeitsgericht hat sich nunmehr bezüglich der Auswahlmöglichkeiten des Schulungsformats klar positioniert.

Sachverhalt

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Fluggesellschaft, die Arbeitgeberin ist. Bei dieser ist durch Tarifvertrag eine Personalvertretung errichtet, deren Schulungsanspruch sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) richtet. Die Personalvertretung entsandte im August 2021 zwei ihrer Mitglieder zu einer mehrtägigen betriebsverfassungsrechtlichen Grundlagenschulung in Präsenz nach Potsdam. Hierfür zahlte die Arbeitgeberin die Seminargebühr, weigerte sich aber die Übernachtungs- und Verpflegungskosten zu übernehmen. Dies begründete sie vor allem damit, dass die Mitglieder der Personalvertretung an einem zeit- und inhaltsgleich angebotenen mehrtägigen Webinar desselben Schulungsanbieters hätten teilnehmen können. Die Personalvertretung hatte in dem eingeleiteten Verfahren geltend gemacht, dass die Arbeitgeberin auch die Übernachtungs- und Verpflegungskosten zu tragen hat. Hierzu haben die Vorinstanzen die Arbeitgeberin verpflichtet.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts habe die Personalvertretung, ebenso wie ein Betriebsrat, bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, einen gewissen Spielraum. Dieser umfasse grundsätzlich auch das Schulungsformat. Einer Beurteilung stehe nicht von vorne herein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.

Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar können auch dann vom Anspruch auf Kostentragung durch den Arbeitgeber erfasst sein, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet.

Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?

Die Feststellung des Bundesarbeitsgericht, dass das Auswahlermessen des Betriebsrates auch dann nicht eingeschränkt ist, wenn derselbe Schulungsträger ein zeit- und inhaltsgleiches Webinar anbietet, dürfte für die Mitglieder des Betriebsrates und Arbeitgebende Rechtsklarheit schaffen. Ein Webinar muss der Präsenzschulung nicht aus Kostengründen vorgezogen werden.

Zudem hat das Bundesarbeitsgericht durch seine Entscheidung auch die Personalvertretung gestärkt, indem es klargestellt hat, dass auch eine durch Tarifvertrag errichtete Personalvertretung einen dem Betriebsrat entsprechenden Ermessenspielraum bei der Auswahl der Schulungsveranstaltungen hat.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 5/24 des Bundesarbeitsgerichts vom 07.02.2024